"Das Narrenschiff"

Und dann sangen sie, bevor sie ans Werk gingen, das schöne Lied von der Loreley. Anfang Mai 1945 saßen auf einem Feldflugplatz bei Frankfurt (Oder) 22 führende Genossen beisammen und erwarteten den sowjetischen Einmarsch in Berlin. Sie gehörten zur „Gruppe Ulbricht“, die aus Moskau eingeflogen worden war und im Auftrag Stalins nach dem Untergang des NS-Regimes einen sozialistischen deutschen Staat aufbauen sollte.

Einer der Beteiligten, Professor für Ökonomie, gehört zu den Personen, deren weiteren Lebenslauf Christoph Hein in seinem vielgelobten Epos über die Geschichte der DDR verfolgt. Mit zwei anderen Funktionären samt Ehefrauen bildet man eine Tafelrunde, deren Mitglieder sich wechselseitig durch 40 Jahre SED-Diktatur und Anpassungszwang lotsen. In vielen lakonisch geschilderten Szenen gibt Hein einen Einblick ins Schattenreich des Systems und ins Seelenleben seiner Bewohner.  

Er zeigt dabei „genau die Willkür“, die „unzählige Leben umgelenkt oder zerbrochen hat“, wie die Süddeutsche Zeitung befand. Kellner, Sekretärinnen und Fabrikarbeiter kommen ebenso zu Wort wie Hausmeister oder kritische Intellektuelle. Nach Meinung der FAZ hat Hein „aus der Kraft der Ruhe sein Opus Magnum eines Gesellschaftsromans“ geschaffen, der alle wichtigen Phasen der DDR-Geschichte durchmustert. 

Foto: Suhrkamp-Verlag