Veranstalter erwarten Juri Andruchowytsch, Jean-Luc Bannalec, Thea Dorn, Rainer von Hessen, Wladimir Kaminer, Andreas Rödder, Dorothee Röhrig, Kai Strittmatter, Stephan Thome und viele andere – Vorverkauf beginnt
„Zeit läuft! – Wie schaffen wir den Wandel?“ Mit diesem Motto geht der „Literarische Frühling in der Heimat der Brüder Grimm“ in die nächste Saison 2023. „Das Leitmotiv bringt zum Ausdruck, dass wir in einer Zeit großer Herausforderungen und Unsicherheiten leben, die sich natürlich auch in unserem Programm niederschlagen“, erklärte die Leiterin des Festivals, die Autorin Christiane Kohl, am Montag bei der Vorstellung der einzelnen Veranstaltungen. Als Gäste werden unter anderen der ukrainische Star-Autor Juri Andruchowytsch und der „Lieblingsrusse“ der Deutschen, Wladimir Kaminer, erwartet, ferner der Mainzer Historiker Andreas Rödder, der erfolgreiche Krimi-Autor Jean Luc Bannalec und der Romancier Stephan Thome, der als neuer Schirmherr des Festivals die Nachfolge des verstorbenen Friedrich Christian Delius antritt. Delius wird mit einer eigenen Gedenkveranstaltung gewürdigt. Weitere Attraktionen werden noch in naher Zukunft angekündigt.
Das Festival, das von drei Hotels im Landkreis Waldeck-Frankenberg mit Unterstützung von zwei Dutzend Firmen und Institutionen der Region veranstaltet wird, beginnt im nächsten Jahr mit einem Preopening am Freitag, dem 24. März, und wird am 25.03. 2023 in der Walkemühle in Frankenberg mit dem neuen Schirmherr Stephan Thome offiziell eröffnet. Insgesamt sind rund 20 Veranstaltungen bis Sonntag, dem 2. April 2023, geplant. Der Kartenvorverkauf beginnt in den nächsten Tagen über die Website www.literarischer-fruehling.de, wo das gesamte Programm eingesehen werden kann, oder über das Ticketportal „Reservix“.
„Der Krieg in der Ukraine, die Abhängigkeit von China, die Klima-Katastrophe, die Energie-Krise sowie der tiefgreifende technische und gesellschaftliche Umbruch setzen Deutschland einer nie dagewesenen Belastungs- und Bewährungsprobe aus“, erklärte die Festival-Leiterin Christiane Kohl. „Davon bleiben natürlich auch das kulturelle Leben und die Literatur nicht unberührt.“ Deshalb würden zwangsläufig auch aktuelle politische Fragen zur Sprache kommen, so beim Gespräch mit dem Ukrainer Juri Andruchowytsch, der zur ersten Garde der Literatur in Europa gehört und in seinem Roman „Radio Nacht“ den historischen Hintergrund für den Krieg in seiner Heimat erklärt. Ähnlich verhält es sich mit Stephan Thomes Buch „Pflaumenregen“. Er schildert am Beispiel einer Familie die jüngere Geschichte der Insel Taiwan, die durch die Annexionsdrohungen des großen Nachbarn China zu einem der großen Krisenherde der Welt geworden ist. Stephan Thome ist mit einer Taiwanerin verheiratet und lebt in der Hauptstadt Taipeh, er stammt aus dem hessischen Biedenkopf.
China steht auch im Blickpunkt eines Gesprächs zwischen Thome und dem Journalisten Kai Strittmatter, der 14 Jahre in Peking gelebt hat. In seinem Buch über „die Neuerfindung der Diktatur“ schildert er, wie dort gerade mit Big Data und künstlicher Intelligenz ein „perfekter Überwachungsstaat“ etabliert wird, den es so noch nie gab. Um aktuelle politische Fragen geht es ferner bei einer Diskussion zwischen der Schriftstellerin Thea Dorn und dem Mainzer Historiker Andreas Rödder, der eine Denkfabrik für „eine neue bürgerliche Politik“ gegründet hat und vor Eiferern am rechten und linken Rand der Gesellschaft warnt. „Längst hat ein Kulturkampf begonnen, der die demokratische Mitte in die Zange nimmt“, sagt er. Der Reporter Wolfgang Büscher richtet den Blick nach Osten und erinnert sich an seinen Fußmarsch von Berlin nach Moskau im Jahr 2001, durch eine Landschaft, die heute in anderem Licht erscheint.
In eher humorvoller Stimmung verfolgen Wladimir Kaminer und Jörg Maurer das Zeitgeschehen. Kaminer fragt sich, wie er seiner Mutter die Gender-Sternchen und die Bio-Siegel erklären soll – und sicher hat er auch ein Wort über Putin zu sagen. Maurer, der lange als Kabarettist unterwegs war und zudem durch seine Alpen-Krimis bekannt wurde, hat als Feinde der Zivilisation eine Art von Aliens ausgemacht, die bereits tief in unseren Alltag eingedrungen ist: die Handys.
Um Herkunft und Bestand der Demokratie geht es bei Jörg Bong, der mit mitreißendem Schwung von der Revolution des Jahres 1848/49 erzählt. Der Aufstand scheiterte seinerzeit an der Zerstrittenheit der Kämpfer für Wahlrecht und Meinungsfreiheit und am Widerstand der herrschenden Fürsten und Könige; 2023 jährt sich das Ereignis zum 175. Mal. Jörg Bong, ein promovierter Literaturwissenschaftler, hat unter dem Pseudonym Jean-Luc Bannalec mit großem Erfolg auch Kriminalromane um den Kommissar Dupin aus der Bretagne verfasst. Den jüngsten stellt er ebenfalls beim „Literarischen Frühling“ vor, begleitet von einem bretonischen Vier-Gang-Menü, wie der Kommissar es liebt.
Die kulinarischen Freuden, für die das Festival bekannt ist, werden auch von den Literatur-Kritikern Anne-Dore Krohn und Denis Scheck in ihr Recht gesetzt. Sie berichten von Streifzügen in Pariser Küchenfachgeschäfte, Londoner Tafelsilber-Läden und multikulinarische Berliner Szenerestaurants. Nicht zuletzt sind auch der Frankfurter Schauspieler Michael Quast und der Sterne-Koch Erik Arnecke im Restaurant „Philip Soldan“ wieder mit von der Partie. Sie präsentieren 2023, hundert Jahre nach seinem Erscheinen, den Roman über die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk von Jaroslav Hašek, begleitet von böhmischen Gerichten der feinsten Art.
„Du wirst noch an mich denken“, lautet der Titel eines Buches, das die Journalistin und einstige Chefredakteurin der Frauenzeitschrift „Emotion“, Dorothee Röhrig, beim Literarischen Frühling vorstellt. Die berührende Familiengeschichte handelt von ihrer Mutter, die als 18-jährige erleben musste, dass ihr Vater, der Widerstandskämpfer Hans von Dohnaniy, 1945 noch in den letzten Tagen der NS-Herrschaft hingerichtet wurde.
Ein Stück europäische Adelsgeschichte, die eng verwoben ist mit der Stadt Battenberg, präsentiert Rainer von Hessen unter dem Titel: „Battenberg-Mountbatten – eine hessische Affäre“.
Mit einer Veranstaltung auf Schloss Waldeck gedenkt der „Literarische Frühling“ am Sonntag, dem 2. April, seines langjährigen Schirmherrn Friedrich Christian Delius, der am 30. Mai 2022 im Alter von 79 Jahren verstorben ist. Noch kurz vor seinem Tod konnte er das Manuskript seiner autobiographischen „Erinnerungen mit großem A“ fertigstellen, die seine Witwe Ursula Bongaerts vorstellen wird. Wie jedes Jahr sollen auch wieder eine ganze Reihe von Veranstaltungen für Schülerinnen und Schüler stattfinden, unter anderem ein Workshop über das Übersetzen aus der englischen Sprache mit einem professionellen literarischen Übersetzer.
Der „Literarische Frühling“ wird seit 2012 von drei führenden Hotels im Kreis Waldeck-Frankenberg veranstaltet, dem Hotel Die Sonne Frankenberg, dem Hotel Schloss Waldeck und dem Romantik Hotel Landhaus Bärenmühle in Ellershausen. Sie werden ideell, finanziell und materiell von rund zwei Dutzenden Unternehmen und Institutionen der Region unterstützt – gemeinsam mit den Autorinnen und Autoren bilden sie eine „Koalition der Kreativen“.
06.12.2022