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Ein Gruß vom dritten Bruder

Der Künstler Albert Schindehütte zeigt im Thonet-Museum in Frankenberg Zeichnungen und Radierungen nach Ludwig Emil Grimm

Beim Namen Grimm denkt Albert Schindehütte nicht unbedingt zuerst an Jacob und Wilhelm Grimm, die Verfasser jener Märchen, die die Brüder Grimm in der ganzen Welt berühmt gemacht haben. Ihn fasziniert vor allem eines der weiteren Geschwister: Ludwig Emil Grimm. Kein Wunder, war dieser dritte Bruder doch wie Albert Schindehütte ein Maler und Zeichner und ein genauer Beobachter seiner Zeit, aus der er eine Fülle skurriler Momentaufnahmen hinterlassen hat. Mit diesen eigenwilligen und durchaus anrührenden Kunstwerken setzt sich Albert Schindehütte, der in seinem Geburtsort Breitenbach bei Kassel die „Schauenburger Märchenwache“ ins Leben gerufen hat, schon seit vielen Jahren auseinander. Er hat sich von ihnen auch zu eigenen Nachschöpfungen inspirieren lassen. Eine Auswahl daraus zeigt er jetzt bei einer Kabinett-Ausstellung im Thonet-Museum in Frankenberg, die an diesem Donnerstag, dem 7. April 2016, um 18:30 Uhr mit einer öffentlichen Vernissage eröffnet wird. Zur Einführung spricht Prof. Dr. Bernd Küster, der Direktor der Museumslandschaft Hessen Kassel. Der Eintritt ist frei.

Die bis zum 30. April gezeigte Ausstellung steht in direktem Zusammenhang mit dem am Samstag (9. April) beginnenden „Literarischen Frühling in der Heimat der Brüder Grimm“, bei dem in diesem Jahr das Schaffen von Ludwig Emil Grimm ebenfalls ein großes Thema ist. In einer Prachtausgabe sind unlängst die Lebenserinnerungen des Malerbruders erschienen, zusammen mit zahlreichen bisher nur wenigen Experten bekannten Zeichnungen Ludwig Emil Grimms, die Albert Schindehütte in brüderlichem Geiste mit eigenen Kunstwerken begleitet. Zusammen mit den Herausgebern Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz, zwei prominenten Frankfurter Kulturjournalisten, wird Schindehütte in der nächsten Woche dieses umfangreiche Buch vorstellen, das er gemeinsam mit der Hamburger Graphikerin Barbara Kloth gestaltet hat.

Die im Thonet-Museum präsentierten Zeichnungen, auf denen er eine ganze Serie von Grimm-Motiven auf eigene Weise paraphrasiert, sind ein Vorgeschmack auf dieses Buch – und eine üppige Ergänzung dazu. Sie geben einen guten Eindruck von der für Schindehütte so charakteristischen „kalligraphischen Manier“, in der er sein Vorbild „artig zitiert“. Darüber hinaus zeigt der Künstler Radierungen und Holzschnitte, darunter ein Diptychon, ein großformatiges Zweitafelbild. Nach eigenen Worten fesseln ihn am Werk Ludwig Emil Grimms vor allem die Darstellungen von Kindern und viele Genre-Szenen. „Seine spontanen Zeichnungen sind wirklich ganz wunderbar“, sagt er. Zu den aufgegriffenen Motiven zählen auch Porträts von „Grimms Mädchen“. Sie zeigen Ludwig Emil Grimms Schwester Lotte oder Freundinnen der Familie wie die Literatin Bettina Brentano und Gunda von Savigny.

Für das Museum Thonet ist die Ausstellung nach den Worten von Seniorchef Claus Thonet „eine sehr willkommene Kostbarkeit“, die in das schöpferische Umfeld der traditionsreichen Stuhl- und Möbelfabrik sehr gut hineinpasse. „Albert Schindehütte schlägt eine anmutige Brücke in die Zeit vor 200 Jahren und zeigt am eigenen Beispiel, dass geistige Verwandtschaft auch über eine solche Distanz hin eine große Bereicherung ist“, erklärte Claus Thonet. „Der Schwung der Feder von Albert Schindehütte und die Form unserer gebogenen historischen Kaffeehausstühle haben manches gemeinsam, will mir scheinen.“

Albert Schindehütte ist einer der bekanntesten Künstler aus Nordhessen und hat schon vor Jahren auch in Berlin und in Hamburg reüssiert, wo er im Stadtteil Övelgönne lebt. Geboren 1939 in Kassel, wuchs er in Breitenbach auf, das heute ein Ortsteil von Schauenburg ist. Er studierte zunächst an der Werkkunstschule Kassel und zog 1962 nach Berlin. Dort gehörte er zu den Begründern der legendären Werkstatt „Rixdorfer Drucke“. Über die Jahre hat Schindehütte zahllose Zeichnungen, Radierungen, Kupferstiche, Holzschnitte, Lithographien und Aquarelle geschaffen, die bei Sammlern sehr begehrt sind. Zudem illustrierte er etliche Bücher, so auch einen Band über die Herkunft der Grimm’schen Märchen, den er gemeinsam mit dem international bekannten Märchenforscher Prof. Heinz Rölleke herausgab. Die von ihm gegründete „Schauenburger Märchenwache“ erinnert an zwei Persönlichkeiten aus dem Ort, die zu den Märchen-Lieferanten der Brüder Grimm gehörten. Einer von ihnen, der Dragoner-Wachtmeister Johann Friedrich Krause, zählt zu Schindehüttes eigenen Vorfahren.

05.04.2016